Das Wort, das der Herr Jesus in Johannes 16,33 für «Bedrängnis» verwendet, kann auch mit «Trübsal», «Not», «Angst» oder «unter Druck stehen» übersetzt werden. Und mit «Welt» denkt Er nicht etwa an einen stimmungsvollen Sonnenuntergang auf den Bahamas oder den traumhaft verschneiten Säntis. Gemeint ist vielmehr die gefallene Schöpfung und vor allem die Menschheit in ihrer Auflehnung gegen Gott. Satan ist der Gott dieser Weltzeit.
Nun sagt der Herr Jesus den Jüngern nicht: «In der Welt könnt ihr möglicherweise Bedrängnis haben», oder: «ab und zu kann es zu Bedrängnis kommen». Nein, klipp und klar kündigt Er Seinen Jüngern an: In der von Gott losgelösten Menschheit werdet ihr «Not leiden» oder «unter Druck» stehen. Das ist eine Sache, die unausweichlich mit der Nachfolge verbunden ist. Hier steht derselbe Begriff, der in der Offenbarung für die Grosse Trübsal verwendet wird. Das sollte vor aller falschen Blauäugigkeit oder Schönmalerei bewahren, auch wenn man an die Entrückung vor der Trübsal glaubt.
Der Untergang der Titanic bewegt bis heute die Gemüter. Darüber wurden zahlreiche Bücher geschrieben und Filme gedreht. In diesem Zusammenhang kann man auch den sarkastischen Satz nennen: «Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff.» Der schwimmende Vergnügungstempel wurde als ein Wunderwerk der Technik angesehen und man raunte, dass er unsinkbar wäre. Natürlich gab es in den unteren Klassen auch arme und elende Personen. Es waren auch bibelgläubige Christen an Bord, und durch die Schreckensnacht des Untergangs kamen Menschen zum Glauben an Jesus Christus.
Im Nachhinein ist bekannt, dass die Titanic in jener verhängnisvollen Nacht trotz zahlreicher Warnungen mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr. Schon Stunden vor dem Unglück hatte das Schiff Eiswarnungen erhalten. Auch die deutlich absinkende Lufttemperatur liess auf die Nähe von Packeis und Eisbergen schliessen. Ungeachtet all dessen gingen der Tanz und das Vergnügen an Bord weiter, bis es zur Katastrophe kam. So dient der Untergang der Titanic als ein warnendes Beispiel, was passieren kann, wenn man Vorzeichen einfach ignoriert, weil es einem gut geht, man sich wohlfühlt oder alles rosig sehen will.
Dieses Vorbild möchte ich nicht auf die Gesellschaft beziehen oder die Vorgänge in dieser Welt – auch wenn das seine Berechtigung hätte –, sondern auf uns als Gemeinde Jesu Christi, die hier im Westen noch Glaubensfreiheit geniesst. Es ist deutlich, was der Herr Jesus Seinen Jüngern als Grundprinzip für die Nachfolge vorausgesagt hat. Glaubensfreiheit ist nicht der Normalzustand der Gemeinde Jesu, sondern eine Ausnahme – auch wenn sie im Westen schon lange Zeit anhält. Die Zeichen verdichten sich allerdings, dass unsere Glaubensfreiheit abnimmt und wir uns auf einen scharfen Gegenwind, bis hin zu starkem Druck und Bedrängnis, einstellen müssen. Meine Sorge ist, dass es uns Glaubenden ähnlich geht wie damals den Menschen auf der Titanic. Wir versuchen lieber, die Tatsachen zu verdrängen und uns einzureden, dass doch immer alles irgendwie gutgeht, anstatt der Realität ins Gesicht zu sehen.
Die Überschrift dieses Artikels ist dem Titel eines Buches entnommen, das vor ca. vierzig Jahren veröffentlicht wurde und längst vergriffen ist. Werner Stoy schrieb damals zum Thema: «Mut für morgen – Christen im Westen vor der Verfolgung». Obwohl sich durch den Zusammenbruch der Sowjetunion manche Konstellationen im Vergleich zu damals verändert haben, bleibt sein Buch inhaltlich aktuell. Stoy macht deutlich, wie viel die Bibel von Leid und Bedrängnis spricht und dass dieses Thema sowohl in der Dogmatik (Glaubenslehre), in der Ekklesiologie (Lehre von der Gemeinde) als auch in der Ethik (praktische Lebensführung als Christ) weitgehend ausgeblendet wird.
Wir sind uns der gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte viel zu wenig bewusst. Einst christliche Werte sind bewusst verworfen worden und die Feindschaft gegen die Bibel und das Evangelium haben zugenommen. Anstatt dass wir angesichts dieser Entwicklungen nun umso unverhohlener den Glauben bekennen und unser Profil in der Nachfolge haben schärfen lassen, sind wir zu Leisetretern geworden, die sich der säkularen Gesellschaft immer mehr anpassen. Natürlich gibt es immer noch sehr missionarische Personen und Nachfolger. Aber dieser Gesamteindruck drängt sich auf. Einige Beispiele:
Noch vor dreissig Jahren warben bibeltreue Gemeinden und ihre Mitglieder kräftig für Evangelisationen. Plakate wurden aufgehängt, die teilweise schon eine eindeutige Botschaft enthielten, von Haus zu Haus wurden Einladungen ausgesprochen, obwohl einem damals schon öfters die Tür zugeknallt wurde. In den 1970er-Jahren trugen Gläubige vermehrt Buttons und Anstecker mit einem klaren Bekenntnis. Viele Autos waren nicht nur mit stummen Fischen verziert, sondern präsentierten Aufkleber mit einer klaren Aussage. Es gab Strassen- und Krankenhauseinsätze und andere Aktionen, mit denen der Glaube öffentlich bekannt wurde. Es ist richtig, dass manches inzwischen nicht mehr möglich ist; dennoch habe ich die Sorge, dass wir uns mehr und mehr vom Gegenwind aufhalten lassen, anstatt uns mutig den Entwicklungen entgegenzustellen.
Werner Stoy weist in seinem Buch darauf hin, dass Verfolger immer versuchen, die öffentliche Missionsarbeit und Evangelisation zu unterbinden. Er nennt das Beispiel der damaligen Sowjetunion, wo die Verfolgung immer zunahm, sobald öffentlich missioniert und evangelisiert wurde. Glauben in den eigenen vier Wänden oder innerhalb der Gemeinde kann dagegen unter Umstände noch gewährt werden. Ich fürchte, dass wir möglichen kommenden Entwicklungen gerade durch unseren Rückzug aus der Öffentlichkeit und die allgemeine Anpassung Vorschub leisten.