Ein geistlich gesinnter Leiter, ein hingegebener Gläubiger, ein wahrer Diener Christi zeichnet sich durch die Vortrefflichkeit aus, mit der er alle seine Aufgaben ausführt. Das Zeugnis, das Gott selbst Kaleb ausstellt, ist beeindruckend. Aber ich möchte hier einen Satz hervorheben: «… in dem ein anderer Geist ist.» Hermann Menge übersetzt diesen Satz so: «… der einen anderen Geist gezeigt hat.» Der «andere Geist» zeigte sich darin, dass Kaleb die Vortrefflichkeit suchte, dass er dem Herrn vertraute und mit der Gegenwart des Herrn erfüllt war. Dies im Gegensatz zum Geist des Unglaubens und dem Negativbeispiel der anderen zehn Kundschafter. Kaleb war bereit, zur Ehre Gottes sein Bestes zu tun.
Wenn wir die Geschichte der Eroberung des verheissenen Landes lesen, fallen uns Trägheit, Unglaube, Ungehorsam und fehlender Einsatz des Volkes auf. In der Beschreibung der Grenzen des verheissenen Landes und dem Gebiet, das jedem Stamm zugeteilt wurde, heisst es immer wieder, dass die Israeliten die Einwohner nicht vertrieben. Die Landeinnahme wurde demnach nicht konsequent vollzogen. Und dies obwohl Gott es ihnen ausdrücklich geboten und ihnen den Sieg versprochen hatte, wenn sie es tun würden. Aber sie gehorchten nicht, und darum vermochten sie auch nicht zu siegen. Der Einzige, der wieder hervorstach, war Kaleb. Trotz seiner 85 Jahre leitete er die endgültige Eroberung Hebrons, das Land der Riesen, des gefährlichsten Feindes, vor dem sich die vorherige Generation so gefürchtet hatte. Halbherzigkeit, Anpassung und Selbstgefälligkeit waren nicht Kalebs Stil.
Als Gläubige müssen auch wir danach trachten, in allem vortrefflich zu sein. Das bedeutet nicht, Perfektionist zu werden, denn Perfektionisten sind weder mit sich noch mit anderen je zufrieden und verletzen dadurch die Menschen in ihrer Umgebung. Wäre Kaleb ein Perfektionist gewesen, hätten ihn die zusätzlichen schier endlosen Jahre in der Wüste in den Selbstmord getrieben, oder er wäre wegen der Enttäuschung, nicht auf dem schnellsten Weg ins verheissene Land zu kommen, in eine tiefe Depression gefallen.
Vortrefflichkeit bedeutet nicht, dass jemand allen anderen überlegen sein muss. Nein, Vortrefflichkeit ist ganz einfach der Wunsch und das Bemühen, alles so gut wie möglich zu machen und in der völligen Abhängigkeit von Gott zu leben. Ein Gläubiger, der die Vortrefflichkeit sucht, muss aber nicht immer einfach mit allem zufrieden sein. Er steht dann jedoch nicht mit verschränkten Armen da und kritisiert die andern oder ihr Tun, sondern ist bereit, sich selber einzusetzen, um die Angelegenheit zum Besseren zu verändern. Dieser persönliche Einsatz unter der Leitung des Herrn kann eindrucksvolle Auswirkungen haben.
In unseren Gemeinden gibt es leider viele Geschwister, die sich mit einem Minimum des Wünschenswerten zufriedengeben. Von ihnen kann man keine Verbindlichkeit, Zuverlässigkeit oder völligen Einsatz erwarten. Sie finden immer eine Ausrede. Und wenn sie dann doch einmal etwas tun, dann nur, um jemandem gefällig zu sein oder um beachtet zu werden.
Wo das Bemühen um Vortrefflichkeit fehlt, begnügen sich zum Beispiel Lehrer von Kinder-Bibelklassen damit, fünf Minuten vor Beginn des Unterrichts die Geschichte zu lesen, die sie den Schülern vermitteln wollen. Oder Geschwister, die christliche Zusammenkünfte oder Gottesdienste einleiten, tun dies, ohne sich im Gebet darauf vorzubereiten und passende Lieder und Bibeltexte auszuwählen. Sogar Prediger und Bibellehrer vertrauen oftmals auf ihre angebliche Erfahrung und ihre Leichtigkeit, die richtigen Worte zu finden, ohne sich Zeit für ein vertieftes Bibelstudium und fürs Gebet zu nehmen. Ist es da verwunderlich, dass oft so wenig geistliche Frucht und Wachstum zu sehen ist?
Ein auffallendes Merkmal unserer Gesellschaft ist die Mittelmässigkeit und diese hat ein Abwärtsgleiten zur Folge. Diejenigen, die das Bestmögliche anstreben, werden nicht selten sogar belächelt oder gar verspottet. Das kann man schon bei Jugendlichen beobachten, die sich um gute Noten bemühen: Sie werden von ihren Klassenkameraden abschätzig als Streber bezeichnet.
Martin Luther King jr. sagte einmal: «Wenn ein Mann dazu berufen ist, Strassenkehrer zu sein, so sollte er die Strassen auf die gleiche Weise kehren, wie Michelangelo malte, wie Beethoven seine Musik komponierte oder wie Shakespeare seine Werke schrieb. Er sollte die Strassen so gut kehren, dass alle himmlischen und irdischen Heere stillstünden, um zu beobachten, und dann zu sagen: Hier lebte ein grosser Strassenkehrer, der seine Arbeit gut machte.»
Der junge Daniel und seine drei Freunde waren aus ihrem Land weggeführt und in Babylon zu Gefangenen gemacht worden. Man zwang sie, viel zu studieren, sich der Kultur, einschliesslich der Speisekultur, und der Religion anzupassen. Trotz dieser schwierigen Situation bemühten sich Daniel und seine Freunde um Vortrefflichkeit ihren Oberen gegenüber, denn sie wollten nicht gegen die Gebote Gottes verstossen. Dadurch wurden sie als die Weisesten des Reiches anerkannt (Dan 1,19-20). Später bemühte sich Daniel auch in seiner Arbeit um Vortrefflichkeit, sodass sogar seine Feinde bekennen mussten: «Da sich nun dieser Daniel vor allen Ministern und Satrapen auszeichnete, weil ein vortrefflicher Geist in ihm war, so nahm sich der König vor, ihn über das ganze Reich zu setzen. Da suchten die Minister und Satrapen eine Anklage gegen Daniel zu finden im Hinblick auf die Regierungsgeschäfte; aber sie konnten keine Schuld oder irgendetwas Nachteiliges finden, weil er treu war und keine Nachlässigkeit noch irgendein Vergehen bei ihm gefunden werden konnte» (Dan 6,4-5).
Daniel suchte diese Vollkommenheit in erster Linie Gott gegenüber zu erbringen, sogar auf die Gefahr hin, dass es ihn das Leben kosten könnte. So wie bei Daniel beobachten wir auch bei Kaleb diesen «vortrefflichen Geist». Es war der unablässige Wunsch, das Beste zu leisten. Dies wurde von Gott anerkannt. Daniel wurde vom König zum führenden Beamten in den verschiedenen Regierungsgeschäften erhoben. Und Kaleb wurde neben Josua als hervorragender Anführer anerkannt. Gott segnet vortreffliche Menschen.
Wir selber sollten immer neu die Art und Weise unseres Dienstes im Werk des Herrn überprüfen, um zu sehen, ob wir ihn auf die bestmöglichste Weise tun, denn wir arbeiten für den König aller Könige, den Herrn aller Herren. Darum: «Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als für den Herrn und nicht für Menschen, da ihr wisst, dass ihr vom Herrn zum Lohn das Erbe empfangen werdet; denn ihr dient Christus, dem Herrn!» (Kol 3,23-24).