Was bedeutet «Zionismus»? Mit Zionismus bezeichnet man eine moderne politische Bewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte und hat, jüdische Menschen ins Land der Väter zurückzubringen. Vor allem aufgrund von Diskriminierungen, Verfolgungen und Ausrottungen erhielt die Bewegung gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Antrieb. Der schreckliche Holocaust brachte die Völker dann wenigstens einige Jahre lang dazu, der Rückführung der Juden in einen eigenen Staat wohlwollend gegenüberzustehen.
Die israelische Nationalhymne haTikwa (Die Hoffnung) ist als positive Umdeutung von Hesekiels Vision vom trockenen Knochenfeld zu verstehen: «Unsere Hoffnung ist verloren!» (Hes 37,11). Der Text stammt aus einem Gedicht mit 10 Versen von Naphtali Herz Imber (1856–1909), der im ukrainischen Teil des damaligen Gross-Österreich geboren wurde. Sein Gedicht «Tikwatenu» (Unsere Hoffnung) wurde zunächst ein bekanntes zionistisches Lied. Als die erste Strophe 1948 zur Nationalhymne des neu gegründeten Staates Israel gewählt wurde, passte man den Text, der den Wunsch der Rückkehr nach Zion zum Ausdruck bringt, etwas an. Die Hymne macht deutlich, dass das Anliegen des Zionismus über das rein Politische hinausgeht und ohne Zweifel auch eine religiöse Sehnsucht beinhaltet: «Solange noch im Herzen eine jüdische Seele wohnt und nach Osten hin, vorwärts, ein Auge nach Zion blickt, solange ist unsere Hoffnung nicht verloren. Die Hoffnung, zweitausend Jahre alt, zu sein ein freies Volk, in unserem Land, im Land Zion und in Jerusalem!»
Christlicher Zionismus – eine gefährliche Irrlehre? Häufig sind Aussagen zu hören wie: «Fundamentalisten behindern den ‹Friedensprozess›!» Oder: «Diese Israel-Einseitigkeit erschwert die Evangelisation unter Moslems! Zionismus ist gleichzusetzen mit Rassismus und Apartheidpolitik!» Solche Unkenrufe, gerade wenn sie aus christlichen Reihen kommen, dürfen nicht unbeantwortet verschallen. Eine Behauptung, die genau ins Zentrum des Konflikts unter Christen trifft, ist: «Es gibt keine Landverheissungen im Neuen Testament!» Das Problem ist, dass es in vielen Kreisen an Verständnis mangelt, was der Begriff «Zion» alles einschliesst. Immerhin kommt dieser Begriff rund 160-mal in der Bibel vor.
Wer die entsprechenden Stellen einmal aufmerksam studiert, kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass Zion für unseren Gott enorm wichtig war, ist und sein wird. Paulus zitiert in diesem Zusammenhang den Propheten Jesaja und weist darauf hin, dass das, was der alttestamentliche Prophet vor langer Zeit vorausgesagt hat, sich in Zukunft erfüllen wird: «Und so wird ganz Israel errettet werden, wie geschrieben steht [in Jes 59,20]: Es wird aus Zion der Erretter kommen, er wird die Gottlosigkeiten von Jakob abwenden» (Röm 11,26). In diesem Vers wird die Wiederherstellung Jakobs (des Volkes Israel), des Landes und der Gegenwart Gottes im Neuen Testament bestätigt.
Die Bibel ist jüdisch: Jesus wird als der Löwe aus dem Stamm Juda bezeichnet und unsere Zukunftserwartung ist jüdisch geprägt. Deshalb warnt Paulus im Römerbrief vor einem eventuellen heidnisch-christlichen Exklusivismus: «Wenn aber einige der Zweige ausgebrochen worden sind, und du, der du ein wilder Ölbaum warst, unter sie [oder: mitten unter sie, zwischen sie] eingepfropft und der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaumes mitteilhaftig geworden bist, so rühme dich nicht gegen die Zweige!» (Röm 11,17–18).
Hier wird deutlich, dass Gott Israel keineswegs durch die Gemeinde ersetzt hat. Diese irrtümliche Ansicht wird häufig in christlichen Kreisen vertreten, in denen man nie eine Predigt zu diesem Thema hört oder ein Gebet für die Juden vor den Gott Israels bringt. Doch lehrmässige Schwerelosigkeit im Hinblick auf Israel verursacht Orientierungslosigkeit, Verunsicherung und oft auch antisemitische Tendenzen.
Insbesondere die letzten Kapitel der Offenbarung verbieten eine neutestamentliche Internationalisierung des neuen Jerusalem. Wenn zum Beispiel erwähnt wird, dass die Namen der zwölf Stämme Israels über den Perlentoren des himmlischen Jerusalems zu sehen sind, dann sollte uns das zu denken geben. Israel wird im Zusammenhang mit dem neuen Himmel und der neuen Erde besonders hervorgehoben: «Und so wie der neue Himmel, den ich schaffen werde, und die neue Erde für immer bestehen bleiben, spricht der Herr, so werdet auch ihr als Volk nie untergehen und vergessen sein!» (Jes 66,22). In der Offenbarung findet sich noch ein weiterer neutestamentlicher Hinweis auf Zion: Jesus wird mit jeweils 12.000 Nachkommen der zwölf Stämme Israels auf dem Berg Zion stehen. «Und ich sah das Lamm stehen auf dem Berg Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben an ihre Stirn» (Offb 14,1). Wenn wir dies irgendwie allegorisch oder symbolisch auslegen und es auf die Gemeinde beziehen, dann gehören wir zu denen, die etwas wegnehmen (Offb 22,19)!
Alle bibeltreuen Christen sind sich einig, dass Jesus bei Seiner Wiederkunft auf dem Ölberg in Jerusalem stehen wird (Apg 1,10–12). Dieses gewaltige und alles verändernde Ereignis ist am Ende des Buches Sacharja genau beschrieben: «An jenem Tag wird er auf dem Ölberg stehen, der östlich von Jerusalem liegt … und dann wird der Herr, mein Gott, kommen und alle Heiligen mit ihm» (Sach 14,4–5). Dies wird den Beginn der Herrschaft Jesu, des Messias Israels, einläuten. Dann erfolgt die Wiederherstellung aller Dinge (Apg 3,21) und die verheissene Zeit der Erquickung und des Segens für Zion bricht an (Apg 3,19). Das wird wunderbar sein!
Wir sollten achtgeben, dass wir von der biblischen Lehre nichts wegnehmen und auch nichts hinzufügen: «Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand etwas zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buch geschrieben sind; und wenn jemand etwas von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baum des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in diesem Buch geschrieben ist!» (Offb 22,18–19). Aus dieser sehr ernsten Warnung geht hervor, dass Gott von uns erwartet, dass wir das Geoffenbarte richtig verstehen. Bei dem erwähnten Wegtun und Dazutun kann Unwissenheit durch fehlendes Bibelstudium gemeint sein, aber auch bewusste Manipulation, um zum Beispiel gewisse theologische Gedankengebäude darüber zu stülpen oder um Sünde oder sektiererische Tendenzen zu rechtfertigen.
«Ich will euch nicht verhalten, liebe Brüder, dieses Geheimnis (auf dass ihr nicht stolz seid): Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren, so lange, bis die Fülle der Heiden eingegangen sei!» (Röm 11,25). Das ist ein ganz zentraler Bibelvers. Paulus erklärt in drei Kapiteln des Römerbriefs (9–11) den geretteten Nicht-Juden das Thema Israel. Dabei beleuchtet er nicht die individuelle Errettung während des bis heute anhaltenden Gemeindezeitalters, sondern was nach der Gemeinde kommt, nämlich die Errettung Israels! Paulus nennt den Abschluss der Gemeinde «die Fülle» oder «Vollzahl der Heiden». Mit diesem Ausdruck ist eine konkrete Zahl gemeint, die nur Gott in Seiner Allwissenheit kennt. Das Wörtchen «bis» blinkt hier als rote Warnleuchte, insbesondere für die Gemeinden und Denominationen, die der Ersatztheologie Raum geben und mit Israel nichts mehr anfangen können und wollen!
Dieses «bis» kommt auch an anderen Stellen vor: «Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden. Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!» (Mt 23,37–39). Hier spricht der Herr harte Gerichtsworte gegen das Volk Israel. Wir blicken heute auf einen geschichtlichen Zeitraum von fast 2000 Jahren der jüdischen Zerstreuung zurück.
Jesus kündigte dies auch an anderer Stelle an: «Und sie werden fallen durch des Schwertes Schärfe und gefangen geführt werden unter alle Völker; und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis dass der Heiden Zeit erfüllt wird!» (Lk 21,24). Das «bis» in diesen beiden Prophezeiungen Jesu richtet sich ganz eindeutig an Israel, nicht an die Gemeinde. Und es ist unleugbar nahe gerückt! Denn diese Prophezeiungen beinhalten automatisch die Landverheissung, die den Patriarchen gegeben wurde. Die Rückkehr der Juden ins Land der Väter ist somit ohne Zweifel ein grosses Zeichen für uns alle! Wenn Gottes Geduld mit den Heiden zu Ende ist, dann wird sich die Lage in Jerusalem definitiv ändern. Aus biblischer Perspektive leben wir heute (mindestens seit der Staatsgründung Israels in 1948) in einer Übergangszeit. Und durch das Studium der biblischen Prophetie wissen wir, was nach dieser Phase geschehen wird: die komplette Wiederherstellung Israels!
Die Frage der Jünger Jesu, die sich um Israel sorgten, beweist ihre feste Hoffnung auf das messianische Friedensreich: «Sie nun, als sie zusammengekommen waren, fragten ihn und sagten: Herr, stellst du in dieser Zeit dem Israel das Reich wieder her? Er sprach aber zu ihnen: Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seine eigene Gewalt gesetzt hat. Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde. Und als er dies gesagt hatte, wurde er emporgehoben, indem sie es sahen, und eine Wolke nahm ihn auf von ihren Augen hinweg» (Apg 1,6–9). Der Textzusammenhang und die Logik führen uns zu folgendem Resultat: Die Antwort Jesu auf die typisch jüdisch-nationalistische Frage zur Wiederherstellung Israels ist keine Verneinung und keine Verwerfung. Unser Herr weist nur klar darauf hin, was im Programm Gottes nun Priorität hat: die weltweite Verkündigung des Evangeliums, auch Gemeindezeitalter genannt. Das Anliegen Israel wurde zwar klar und deutlich in die Zukunft verschoben, aber keineswegs aufgehoben!