Die Angst geht um, und viele fragen sich: Was für Gedankengut bringen die Ströme von Flüchtlingen aus islamischen Ländern nach Europa? Werden die USA, Nordkorea, der Iran und Saudi-Arabien es mit ihrem Säbelrasseln schaffen, einen dritten Weltkrieg anzuzetteln? Wird die Verhärtung der politischen Fronten links und rechts zu Bürgerkriegen führen? Wie zerstörerisch wird der Genderwahn für meine Familie sein?
Ja, wir leben in unruhigen Zeiten. Und doch: Dasselbe könnten wir seit dem Sündenfall über die Welt feststellen. Es hat einen guten Grund, dass es in jeder Generation Mahner gibt, die das Ende nahe herbeigekommen sehen. In solch einer apokalyptischen Atmosphäre trat beispielsweise Martin Luther auf. Er und andere waren davon überzeugt, dass der Jüngste Tag nicht mehr fern sein konnte. Dass er gerade die deutschsprachige Welt auf 500 Jahre hin nachhaltig verändern würde, damit hatte der Reformator sicher nicht gerechnet.
Das Neue Testament zeigt, dass das Ende aller Dinge seit dem ersten Kommen des Herrn Jesus nahe ist (1.Petr 4,7; Jak 5,9; Offb 1,3). Die Menschwerdung des Sohnes Gottes, Sein Leben, Sein Leiden, Sein Tod, Seine Auferstehung und Seine Himmelfahrt haben eine definitive Wende der Zeiten gebracht, einen Einschnitt, der nie mehr rückgängig gemacht werden kann (1.Kor 10,11; Kol 2,13-15; Hebr 9,26). Der Heilige Geist ist ausgegossen worden (Apg 2,16-17), die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe (Röm 13,12). Deshalb tobt auch dieser kosmische Kampf zwischen Michael und den heiligen Engeln auf der einen Seite und dem Teufel und den gefallenen Engeln auf der anderen Seite. Der Teufel weiss, dass er ein besiegter Feind ist und nur noch wenig Zeit hat (Offb 12,7-12). Er ist wütend und geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann (1.Petr 5,8). Deshalb sollten wir uns zu keiner Zeit wundern, wenn wir Endzeitzeichen und Erschütterungen beobachten. Seit nun schon 2000 Jahren leben wir in den «bösen Tagen» (Eph 5,16) kurz vor dem Ende – kurz vor dem Einbruch der letzten grossen Trübsal. Das ist die eine Seite.
Die andere ist: Jesus ist Sieger! Wo Sein Evangelium verkündigt, verbreitet und geglaubt wird, muss der Feind kapitulieren. Er ist Herr (Eph 1,20-21). Da, wo das Licht scheint, muss die Finsternis weichen (1.Joh 2,8). Und das ist etwas, das viele übersehen und vergessen. Die Kraft des christlichen Glaubens ist real. Martin Luther bemerkte einst, dass uns der Teufel nie so nahe kommen kann wie Christus uns nahe gekommen ist. Menschen können auf die Verführungen des Teufels hereinfallen, sie können sich vom Bösen überwinden lassen, die Sünde wählen und so dem Teufel immer ähnlicher werden, ja sogar von ihm besessen werden. Aber Christus ist den Menschen so nahe gekommen, dass Er selbst Mensch wurde – Er wurde einer von uns. Das hat der Teufel nicht getan. Wenn wir also an Christus glauben, ist Gott uns im Sohn immer näher als der Teufel. Immer. Der, der durch den Glauben in uns ist, «ist grösser als der, der in der Welt ist» (1.Joh 4,4).
Darum konnte die Treue der frühen Gemeinde dazu führen, dass das Christentum nicht etwa vom Römischen Reich vernichtet wurde, sondern dass das Römische Reich mit Konstantin dem Grossen vor dem Christentum kapitulierte. Darum konnte die Treue vieler Reformatoren und Täufer dazu führen, dass die mittelalterliche Gesellschaft nicht etwa im Weltuntergang endete, sondern in eine neue Ära aufbrach. Darum konnte die Treue der pietistischen und freikirchlichen Erweckungsbewegungen im 18. und 19. Jahrhundert bewirken, dass die Aufklärung das Christentum nicht etwa verdrängte, sondern nur allzu oft von ihm besiegt wurde.
Natürlich war und ist es immer so, dass in der Gemeinde Gottes Weizen und Unkraut wachsen (Mt 13,25-30). In jeder christlichen Glaubensgemeinschaft finden wir Licht und Schatten – in der einen mehr Schatten, in der anderen mehr Licht (vgl. Offb 2-3). Aber je mehr in aller Welt das Evangelium verkündigt wird, desto mehr wird alle Welt in positiver Weise in Aufruhr gebracht werden (vgl. Apg 16,20; Mt 28,18-20).
Ja, die Zeiten werden schlimmer, je näher das Ende kommt (2.Tim 3,1), aber diese Wahrheit ist für Christen kein Grund, lethargisch und mutlos zu werden. Im Gegenteil: Wenn uns etwas an unserem Nächsten liegt, sollten wir dem Niedergang entgegentreten und das Evangelium erst recht verkündigen, nämlich die Botschaft, dass Jesus Christus allein Herr ist. Diese Wahrheit ist und bleibt Gottes Kraft für alle Welt (Röm 1,16), bis Christus kommt und Sein Reich für Israel aufrichtet (Mt 19,28). Und da es keinem von uns gebührt, den (ungefähren) Zeitraum oder die (genaue) Stunde zu wissen (Apg 1,6-7), kann keiner von uns sagen: «So böse sind die Tage jetzt, dass sich die Verkündigung des Evangeliums nicht mehr lohnt.»
Gottes Kraft bleibt eine Kraft, solange die Träger Seines Heiligen Geistes bereit sind, für Ihn zu leben, Ihn zu verkündigen und Ihn zu verherrlichen.
Damit ist die Frage nicht beantwortet, ob das christliche Abendland untergeht. Erst einmal würde der Zyniker fragen: «War es jemals christlich?» Ja, war es – in all seiner Unvollkommenheit. Selbst falls sich kaum jemand daran gehalten hätte, galten doch die christlichen Prinzipien als moralisch bindend. Und das ist heute tatsächlich nicht mehr der Fall. Aber war die Welt früher deshalb in jeder Hinsicht besser? Nein.
Ein Augenöffner ist das Buch «Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen» des israelischen Historikers Yuval Noah Harari. Der gute Mann ist durch und durch gottlos, aber das heisst nicht, dass er nicht Fakten zusammentragen könnte. Seine Zukunftsperspektive ist nicht unbedingt optimistisch, aber eines macht er deutlich: Vieles ist heute besser geworden. Statistisch gesehen sterben mehr Menschen an Über- bzw. Falschernährung als an Unterernährung (!). Seuchen, Naturkatastrophen, verheerende Kriege, Kindstod und Hungersnöte sind ein stückweit eingedämmt worden (teilweise sogar nahezu vollständig).