Dürfen wir Weihnachten feiern? (Teil 1)

Gottloses Konsumfest oder heidnischer Brauch? Wie Christen Weihnachten in Gottesfurcht feiern können. Ein Zeugnis.

Gut erinnere ich mich an eine ältere Dame. Sie konnte sich über jedes Geschenk, und war es noch so klein, freuen. Interessanterweise öffnete sie jedoch keines der vielen Geschenke, die sie erhielt. Vielmehr erfreute sie sich mit fast kindlicher Freude an deren Verpackung, an den kunstvollen Verzierungen und dem wunderschönen Einpackpapier. Nie packte sie eines der Geschenke aus, sondern stapelte sie fein säuberlich in einem grossen Schrank. Für sie bestand die Freude darin, das Geschenk von aussen zu bestaunen.

Ich freue mich über jedes Geschenk, das ich erhalte. Besondere Freude bereiten mir die kunstvoll eingepackten, mit Liebe zum Detail verzierten Päckchen. Dennoch weiss ich, dass die Verpackung nicht die Hauptsache darstellt. Der Schenkende will doch mit seiner schönen Verpackung auf den Inhalt und den noch viel grösseren Wert des eigentlichen Geschenks hinweisen. Und doch halten wir uns oft an der «Verpackung» einer Sache auf – gerade an Weihnachten, dem Tag des Beschenkens und Beschenkt-werdens. Wir bleiben beim Äusseren stehen und kommen nicht zum eigentlichen Kern und Inhalt, zu Jesus. Ich staune manchmal, wie viel Stress und sogar Streit mit Weihnachten verbunden ist. Selbst in christlichen Kreisen wird gestritten, verurteilt und sogar verdammt, wenn man nicht genau so Weihnachten feiert, wie dieser oder jener es für richtig hält. Wie oft musste ich schon hören: Jesus sei nicht am 25. Dezember geboren; Weihnachten sei heidnischen Ursprungs; ein weihnachtlich geschmückter Tannenbaum gehöre in keine christliche Stube …

Nun, ich feiere gerne Weihnachten. Dabei kann ich mich gut an eine Weihnachtsfeier in meiner Kindheit erinnern. Alles war vorbereitet, die Stube festlich geschmückt. Nur unser Papa war noch nicht zu Hause. Als er dann endlich kam, brachte er einen uns fremden Besucher mit. Papa hatte ihn auf einer Bank, einsam und frierend, vorgefunden. Er hatte sich dort in der Nähe einer Kirche niedergesetzt. Vielleicht, weil er Weihnachten nicht alleine feiern wollte? Ich weiss es nicht. Für uns Kinder jedoch war der Fremde damals mehr ein Störenfried, als ein gern gesehener Gast, platzte er doch mitten in «unsere» Familienfeier, in unsere kindliche Vorstellung von Weihnachten. Unser unvorhergesehener Gast genoss die Feier sichtlich, erfreute sich an dem schön gedeckten Tisch, dem guten Essen und den vielen brennenden und einen warmen Schein verbreitenden Kerzen. Er hörte zu, als die Weihnachtsbotschaft aus dem Lukasevangelium vorgelesen wurde.

Ein anderes Weihnachtsfest, das mir lebhaft in Erinnerung ist, feierten wir im feuchtheissen Brasilien. Es war so heiss, dass wir unsere Zeit am liebsten im Swimmingpool zubrachten. Wir waren weit weg von unseren schweizerischen Gewohnheiten. Doch auch da wollten wir Weihnachten, die Geburt unseres Herrn und Erlösers, feiern. So schmückten wir die Zweige einer Palme und stellten Kerzen am Rand des Swimmingpools auf und gedachten so der Geburt des Herrn Jesus. Über uns breitete sich der sternenklare Nachthimmel aus, wir plantschten im kühlenden Nass und um uns herum flackerten die Kerzen, die sich vor lauter Hitze schon zu verneigen begannen.

Eine dritte Weihnachtsfeier, die mir geblieben ist, liegt auch schon Jahre zurück. Für die Jugendgruppe unserer Gemeinde bereiteten wir ein typisch traditionelles Fest vor, mit feinem Essen, bekannten Weihnachtsliedern und einem schön geschmückten Jugendraum, einfach mit allem, was zum klassischen Weihnachtfest gehört und eine Weihnachtsfeier ausmacht. Was die Jugendlichen jedoch nicht wussten, war eine kleine Überraschung: ein «Obdachloser», der von jemandem aus unserer Gemeinde gespielt wurde. Er hatte sich so vermummt, dass niemand ihn erkennen konnte, mit kaputten Kleidern, alten Schuhen, dazu unrasiert und einen äusserst penetranten Geruch ausströmend, mit schmutzigem Gesicht, verfilzten Haaren und einer halbleeren Bierdose in der Hand. So sass er auf der Treppe vor unserem Gemeindegebäude, vor sich eine brennende kleine Kerze. Alle Jugendlichen, die zur Weihnachtsfeier wollten, mussten an diesem «Häufchen Elend» vorbei. 

Von drinnen hörte man festliche Weihnachtsmusik und es strömte einem ein herrlicher Duft von gutem Essen, Spekulatius und Tannenreisig entgegen. Es war eine weihnachtliche Atmosphäre von Licht, Wärme und Liebe. Doch von allen Jugendlichen, die an diesem «Obdachlosen» vorbeigingen,  boten nur zwei oder drei ihm ihre Hilfe an. Alle anderen gingen achtlos an ihm vorbei; vorbei, um drinnen Weihnachten zu feiern. 

Als wir nun fröhlich Weihnachten feierten, torkelte der vermeintlich betrunkene Obdachlose plötzlich in unsere Feier und zog alle Blicke auf sich. Langsam zog der «Störenfried» seine schmutzigen und stinkenden Kleider aus, nahm die Perücke ab, ordnete seine Haare und änderte die Stimme, und plötzlich stand vor den Jugendlichen nicht der «Obdachlose», sondern ein Bruder aus der Gemeinde. Ein Bruder, an dem sie achtlos vorbeigingen, um das Fest der Liebe zu feiern. Nicht wenige verliessen weinend den Raum. Der Sinn von Weihnachten hatte ihre Herzen erreicht.  

All diese Erinnerungen sind nicht aus meinem Gedächtnis zu löschen. Sie stehen untrennbar mit Weihnachten in Verbindung, und ich bin froh darüber. Dabei bin ich mir darüber im Klaren, dass all das eben Geschilderte nur die Verpackung ist, nicht der Inhalt von Weihnachten. Einige mögen Weihnachtserinnerungen für sentimentales und albernes Zeug halten. Etwas, das nicht notwendig ist, bloss «seelisches» Getue. In gewisser Weise stimmt das auch. Dennoch ist es nun einmal so, dass wir Menschen eine Seele und Gefühle haben. Wir sind eben Geschöpfe, die sich gerne freuen, die gerne gute Gemeinschaft haben, die es lieben, mit Freunden zusammen zu sein, die gerne Feste feiern. Ja das ist die Verpackung, aber sie gehört genauso dazu, wie das eigentliche Geschenk. Mit der Verpackung meine ich Dinge wie den schön gedeckten Tisch, die brennenden Kerzen, die wundervolle Dekoration, die köstlichen Kekse oder das gute Essen.

Wir sollten nicht vergessen: Gott gab uns den Inhalt mitsamt der Verpackung. Wie war es denn, als auf Erden das erste Mal «Weihnachten» wurde? Leuchtete da nicht der Stern über dem Nachthimmel Bethlehems? Jubelten nicht die Engelchöre? Brachten nicht die Weisen aus dem Morgenland Geschenke? Staunten nicht die Hirten über die göttliche Bescherung? War nicht die ganze Luft erfüllt von dem, dass die Erde auf einmal reicher war als der Himmel? Dennoch ging es um den Inhalt: Jesus Christus. Mensch, von Gott geboren. Gott, der in Jesus Mensch wurde, der Inhalt und das Ziel von Weihnachten.

Samuel Rindlisbacher ist Mitarbeiter und Verkündiger des Mitternachtsruf. Seine theologische Ausbildung absolvierte er in Südamerika. Er war massgeblich am Aufbau der grossen Jugendarbeit der Gemeinde Mitternachtsruf beteiligt.
Zurück