Die Sünde zum Tode

In 1. Johannes 5,16-18 schreibt der Apostel Johannes: «Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tode, so soll er bitten, und Er wird ihm Leben geben, solchen, die nicht zum Tode sündigen. Es gibt Sünde zum Tode; dass man für eine solche bitten soll, sage ich nicht. Jede Ungerechtigkeit ist Sünde; aber es gibt Sünde nicht zum Tode. Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt; sondern wer aus Gott geboren ist, der bewahrt sich selbst, und der Böse tastet ihn nicht an.» Was meint er damit?

Was die Sünde zum Tode genau ist, wird aus dem Text nicht ersichtlich, und darin besteht wahrscheinlich gerade die Warnung. Es ist aber nicht etwa die Sünde wider den Heiligen Geist (Mt 12,24.31-32), weil Kinder Gottes diese Sünde nicht begehen können, da sie sich zu Jesus bekehrt haben und wiedergeboren worden sind. Und wer aus Gott geboren ist, sündigt nicht (1.Joh 5,18). Die Sünde gegen den Heiligen Geist beging die damalige jüdische Generation, die Jesus sichtbar vor Augen hatte, Seine Wunder als göttliche Bestätigung Seines Dienstes erlebte, aber Ihn dennoch ablehnte. Ja, sie schob sie sogar der Wirkung Satans zu. Darum erfuhr jene Generation keine Vergebung und ging im Gericht 70. n.Chr. kläglich unter (Mt 12,39.41-42.45).
Dagegen betrifft die «Sünde zum Tode» die Kinder Gottes, was das Wort «Bruder» beweist: «Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht …» Dabei handelt es sich sicherlich nicht um einen Katalog sogenannter Todsünden, wie ihn die Kirche aufgestellt hat. Viel eher geht es um das bewusste, fortwährende Sündigen an und für sich, egal um welche Sünde es sich dabei handelt, ohne dass der Betreffende je Busse tut. Diese Tatsache unterstreicht 1. Johannes 5,18, wo gesagt wird, dass der aus Gott Geborene nicht sündigt. Das bedeutet nicht, dass ein wiedergeborener Mensch nie mehr sündigen würde. Denn die vielen Aufforderungen der Bibel, nicht zu sündigen, sind an Gotteskinder gerichtet und zeugen somit also vom Gegenteil. Vers 18 besagt, dass ein Kind Gottes nicht an der Sünde festhält, sondern immer wieder Busse tut und gleichzeitig auch alles tut, um sich vor der Sünde zu bewahren. Wenn ein Wiedergeborener jedoch an Sünde festhält, sich daran gewöhnt und weiter sündigt, ohne umzukehren, kann es sein, dass Gott ihn sterben lässt, um weiteren Schaden für die Gemeinde und für den Betreffenden zu vermeiden. 1. Korinther 5 mag als Beispiel dafür dienen. In Korinth lebte ein Gemeindeglied in Sünde, ohne dass die Gemeinde einschritt und ohne dass dieser Mann zur Besinnung kam. Aufgrund dessen sagt der Apostel Paulus unter anderem, der Fehlbare sei «… dem Satan zu übergeben zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tag des Herrn Jesus» (V 5). «Zum Verderben des Fleisches» bezieht sich auf eine Krankheit und den möglichen Tod als Folge, damit der Mann gerettet wird. Vergleiche dazu 1. Johannes 5,18: «… wer aus Gott geboren ist, der bewahrt sich selbst, und der Böse tastet ihn nicht an.» Es ist für ein Kind Gottes ganz normal, sich vor Sünde zu bewahren. Wer das tut, kann von Satan nicht angetastet werden.
Eine ähnliche Feststellung macht Paulus in Bezug auf das unwürdige Einnehmen des Abendmahls: «Denn wer unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich selbst ein Gericht, weil er den Leib des Herrn nicht unterscheidet. Deshalb sind unter euch viele Schwache und Kranke, und eine beträchtliche Zahl sind entschlafen» (1.Kor 11,29-30).
Der Tod von Ananias und seiner Frau Saphira in Apostelgeschichte 5,1-11 scheint ebenfalls zu bestätigen, dass willentliches Sündigen den Tod zur Folge haben kann, wenn nicht doch noch rechtzeitig Busse getan wird.
Der Ausdruck «Es gibt Sünde zum Tode» deutet meines Erachtens weniger auf eine konkrete Tatsünde als vielmehr auf einen dauernden Zustand des Sündigens. Mit anderen Worten: Wer als Christ die Finsternis dem Licht vorzieht und an Sünde festhält, steht in Gefahr, von Gott körperlich gezüchtigt zu werden, damit die Seele nicht verdirbt. Das letzte Kapitel des Jakobusbriefes kann zum besseren Verständnis beitragen: «Ist jemand von euch krank? Er soll die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen lassen; und sie sollen für ihn beten und ihn dabei mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, so wird ihm vergeben werden. Bekennt einander die Übertretungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet! Das Gebet eines Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist» (Jak 5,14-16).
Könnte das – fasst man die Stellen aus 1. Johannes 5 und Jakobus 5 zusammen – in bestimmten Fällen bedeuten, dass derjenige, der die Sünde bekennt und lässt, Vergebung und Heilung erlangt, während derjenige, der an Sünde festhält, von Gott nicht aufgerichtet wird? Dann wäre die Sünde zum Tode die innere Haltung eines unbussfertigen Sünders, der daraufhin zum Beispiel schwer erkrankt. In einem solchen Fall sollten die Ältesten nicht einfach um Genesung bitten, denn Johannes schreibt ausdrücklich: «Es gibt Sünde zum Tod; dass man für eine solche bitten soll, sage ich nicht.» Es könnte demnach sein, dass die Beter (Ältesten) erkennen, dass es für den betreffenden Menschen besser ist zu sterben, als unbussfertig weiterzuleben.
Ich möchte aber ausdrücklich betonen: Längst nicht jede Krankheit ist in diesem Licht zu sehen! Wehe dem, der in selbstgerechter Weise Leidende beschuldigt, sie seien krank, weil sie in ihrem Leben Sünde dulden würden! Und ich möchte auch nochmals festhalten, dass dies lediglich der Versuch einer Antwort ist.

Norbert Lieth absolvierte seine theologische Ausbildung an der Bibelschule des Mitternachtsruf in Südamerika und war dort auf verschiedenen Missionsbasen tätig. Ein zentraler Punkt seines weltweiten Verkündigungsdienstes ist das prophetische Wort Gottes.
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