Weihnachten heute: Ist der Glaube an die Jungfrauengeburt noch zeitgemäss? (Teil 3)

Es scheint unmöglich: Kann Jesus von einer Jungfrau geboren sein, ohne Zutun eines Mannes, oder müssen wir die entsprechenden Bibelstellen anders verstehen? – Stellungnahme zu einer aktuellen Kontroverse.

Die Folgen der historisch-kritischen Bibelauslegung sind schon seit vielen Jahrzehnten bis an die Gemeindebasis zu spüren. Wie oft hört man den Ausspruch: «Jungfrauengeburt? Das kann man als moderner Mensch doch nicht mehr glauben!» Und immer wieder hört man als Erklärung, dass es im hebräischen Text des Alten Testaments nicht heissen würde: «Geboren von einer Jungfrau – sondern geboren von einer jungen Frau.» Doch da muss man sofort zurückfragen: Wo ist dann aber bitte das grosse Wunder? Die allermeisten jungen Frauen bekamen doch damals ein Kind (und das schon in sehr jungen Jahren), das wäre nun wirklich kein Wunder und erst Recht kein göttliches Zeichen!

Wir müssen diese bedeutende Prophezeiung aus Jesaja 7,14, die sich gemäss dem Neuen Testament in Jesus erfüllt hat, im Kontext betrachten. Die Worte richtet der Prophet Jesaja an den König Ahas von Juda, den Vater von König Hiskia. Für den bekannten evangelikalen Theologen Pastor Sven Findeisen ist die Weissagung von Jesaja 7 absolut erschütternd, «weil sie in eine Zeit bodenlosen Abfalls gesprochen ist: 

Ahas suchte in der Bedrohung durch das Nordreich Hilfe in Damaskus, und nennt sich dem König gegenüber dort: Ich bin dein Knecht. In Jerusalem lässt er nicht nur seine Söhne ‹durchs Feuer gehen›, sondern auch eine Kopie des Götzenaltars aus Damaskus errichten. Wer weiss, dass die Altäre damals mit ihrem Opfer, der Brennpunkt des Gottesdienstes sind, wird erschrecken. Schliesslich liess er den Tempel sogar noch verschliessen. Tiefer geht es wohl nicht!»

Der Tempel mit dem Allerheiligsten konnte nicht mehr betreten werden. Über diesen gottlosen König lesen wir in 2. Könige 16,1ff. und in 2. Chronik 28,22–25: «Und in der Zeit seiner Bedrängnis, da handelte er noch treuloser gegen den Herrn, er, der König Ahas. Und er opferte den Göttern von Damaskus, die ihn geschlagen hatten, und sagte: Ja, die Götter der Könige von Aram, die helfen ihnen. Denen will ich opfern, dann werden sie auch mir helfen. Sie aber dienten ihm und ganz Israel zum Sturz. Und Ahas brachte die Geräte des Hauses Gottes zusammen und zerschlug die Geräte des Hauses Gottes. Und er schloss die Türen des Hauses des Herrn und machte sich Altäre an allen Ecken in Jerusalem. Und in jeder einzelnen Stadt von Juda errichtete er Höhen, um anderen Göttern Rauchopfer darzubringen. Und er reizte den Herrn, den Gott seiner Väter.»

Da tritt ihm der Prophet Jesaja entgegen! Dem rücksichtlosen König Ahas und damit allen zweifelnden und gottfernen Menschen wurde ein besonderes Zeichen versprochen! Und zwar ein solch gewaltiges Zeichen, durch das sich Gott als der wahre Herrscher, als der heilige Gott, dem nichts unmöglich ist, offenbaren würde. Der Prophet Jesaja fordert Ahas auf: «Erbitte dir vom Herrn, deinem Gott, ein Zeichen, sei es von unten, aus der Unterwelt, oder von oben, aus der Höhe». Scheinheilig antwortet Ahas; «Ich will nicht fordern und will den Herrn nicht prüfen (versuchen)». Mit seinem gottlosen Verhalten hatte er schon die Langmut Gottes mehr als herausgefordert. Daher antwortete der Prophet Jesaja: «Hört doch, Haus David [damit ist vor allem die Königsdynastie gemeint]! Ist es euch zu wenig, Menschen zu ermüden, dass ihr auch meinen Gott ermüdet?» Und nun kommt die gewaltige Prophezeiung des Propheten: «Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel (Gott mit uns) nennen.» 

Diese Verheissung hat sich in Jesus erfüllt. Wenn es da lediglich geheissen hätte: Eine «junge Frau» wird schwanger werden, was hätte das für ein gewaltiges, ausserordentliches Zeichen sein sollen? Damals wurden 99 % der jungen Frauen im Alter von 14 bis 20 Jahren schwanger. Das war völlig normal!

Es geht in Jesaja 7,14 also um etwas ganz anderes, um etwas Aussergewöhnliches! Dies wussten auch die ersten Bibelübersetzer. Als im 3. bis 2. Jh. vor Christus die hebräische Bibel ins Griechische übersetzt wurde (Septuaginta), haben die jüdischen Theologen mit Bedacht die Übersetzung «Jungfrau» gewählt, da nur dieses Wort den Text richtig wiedergibt. Ihnen Unkenntnis oder eine fehlerhafte Übersetzung vorzuwerfen, ist schon eine grobe Unterstellung. Wir sollten nicht so überheblich sein, dass wir meinen, über 2000 Jahre später alles besser zu wissen. Die Übersetzer damals wussten sehr genau, welche Bedeutung die einzelnen Wörter hatten.

Darauf verwies auch der leider inzwischen verstorbene Professor Otto Betz, ein Pionier der Qumranforschung. Mit Nachdruck warnte er vor der immer wieder zu hörenden falschen Behauptung, «dass das Wunder der jungfräulichen Geburt Jesu zu Unrecht auf die Weissagung Jesaja 7,14 gegründet sei … und dass der Prophet Jesaja nicht an eine jungfräuliche Geburt gedacht habe. Doch dieser Einwand ist unberechtigt.» Professor Betz, ein weltweit geachteter Judaist, stellte fest:

«Das seltene Wort almah meint eben nicht die verheiratete junge Frau, sondern das heiratsfähige junge Mädchen, das noch Jungfrau ist (virgo matura). In der Bibel wird Rebekka so bezeichnet, als sie dem Brautwerber Eliezer begegnete (1. Mose 24,43), oder die Schwester Moses, als sie ihren kleinen Bruder in einem Kästchen dem Nil anvertraute (2. Mose 2,8). Auch an den wenigen anderen Stellen der Bibel sind junge Mädchen gemeint (Sprüche 30,19; Psalm 46,1; 68,26; Hohelied 1,3; 6,8; 1. Chronik 15,20).

Dieser Befund überrascht keineswegs. Denn Jesaja hatte seinem König ein Zeichen und grosses Wunder versprochen: ‹Fordere es tief aus der Unterwelt oder oben aus der Höhe!› (Jesaja 7,11). Das Schwangerwerden einer ‹jungen Frau› wäre kein solches Wunder. Wahrscheinlich sollte Jesaja im Sinne von 2. Samuel 7,12–14 die Geburt eines judäischen Königsohns und messianischen Daviden ansagen (vgl. Jesaja 9,5 f.). Mit dem Hinweis auf das Wunder einer Jungfrauengeburt wollte er zeigen, dass ein so furchtsamer, ungläubiger König wie Ahas nicht Vater eines messianischen Sohnes sein könnte. Darum wird Gott selbst den Retter ins Dasein rufen, auf wunderbare Weise ‹aufstellen› und für ihn Vater sein (2. Samuel 7,12.14 [sog. Nathanweissagung]; vgl. auch Jesaja 9,5 f. und 11,1 f.).»

Und Prof. Betz weiter: «Die Weissagung Jesajas sah Matthäus mit Recht in der wunderbaren Empfängnis der Maria und in der Geburt Jesu erfüllt. Nach Lukas 1,30–33 wurde (Maria) dieses Wunder durch den Engel angekündigt, … in ihrem Leib wird der messianische Davidsohn empfangen. Ähnlich zaghaft wie der König Ahas erscheint bei Matthäus der Davide Joseph, der mit Maria verlobt war (Matthäus 1,18–20). Denn auch er konnte zuerst nicht an ein göttliches Wunder glauben und (Joseph) wollte die Schwangere heimlich entlassen (Matthäus 1,19). Aber im Unterschied zu Ahas liess er sich vom Engel eines Besseren belehren und nahm Maria zu sich; durch die Namensgebung bekannte er sich als (irdischer) Vater des Kindes, das durch die Adoption die Davidssohnschaft erhielt (1,24 f.).»

Der Evangelist Matthäus hat keinen dummen Fehler gemacht, als er die Jesaja-Stelle mit einer Jungfrau in Verbindung brachte. Die jüdischen Übersetzer der Septuaginta haben Jesaja 7,14 völlig richtig im Zusammenhang gedeutet und sich für «parthenos», Jungfrau, entschieden. Matthäus zitierte auch keine fehlerhafte theologische Deutung mit «dogmatischer Brisanz», sondern «beruft sich auf eine jahrhundertealte jüdische Wiedergabe der Prophezeiung des Jesaja».

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