Die umfassende Verfolgung der Täufer (Teil 4)

Ein Rückblick auf die Geschichte der Täufer von Zürich – genannt Schweizer Brüder – zur Reformationszeit.

Im Jahre 1526 schreibt Konrad Grebel im Gefängnis eine Abhandlung über das Taufverständnis der «Brüder in Christo». Er stellt dem Rat von Zürich in aller Höflichkeit das Gesuch, dieses Werk publizieren zu dürfen. Die Antwort des Rats erfolgt umgehend: Am 5. und 6. März findet ein zweiter Prozess gegen die Täufer Grebel, Manz und Blaurock statt und am 7. März wird das Urteil auf lebenslängliche Haft bestätigt. Am gleichen Tag erlässt der Rat von Zürich ein Gesetz, wonach jeder, der einen Erwachsenen tauft, mit dem Tode bestraft wird. Der Rat von Zürich setzt die drei Inhaftierten von diesem Erlass nicht in Kenntnis. 

  1. März. Grebel, Manz und Blaurock gelingt zusammen mit elf anderen Männern und Frauen die Flucht aus dem Wellenberg-Gefängnis. 
  2. April. Felix Manz tauft in Embrach eine Frau, nachdem er sie aus der Bibel über die Glaubenstaufe unterwiesen hat.
  3. Mai bis 8. Juni. In Baden findet die Eidgenössische Tagsatzung statt. Johann Eck, Spitzenrhetoriker des Katholizismus, trifft auf die Vertreter der Schweizer Reformation. Zwingli nimmt nicht teil, da er offenbar dem Versprechen der Katholischen Behörden auf freies Geleit nicht traut. Eck stellt sieben Punkte zur Debatte, konzentriert jedoch seine Bemühungen auf die Tauffrage, da er weiss, dass die Reformierten in dieser Frage uneins sind. Die Tagsatzung erklärt mit 82 zu 10 Stimmen Eck zum Sieger.

Der Traum Zwinglis von einer nationalen Reform und einem «alpinen Israel» findet ein jähes Ende. Dieses Scheitern veranlasst den Reformator, in der Folge drakonische Massnahmen gegen diejenigen zu treffen, die seine Position geschwächt haben.

Im Juli oder August stirbt Konrad Grebel in Maienfeld an der Pest. Am 30. Oktober wird Jakob Grebel, der Vater von Konrad, am Fischmarkt (heute: die Gemüsebrücke) wegen Hochverrats enthauptet. Als Hochverrat gewertet wird Grebels Sympathie mit einigen katholischen Ansichten. Zu seinen Lebzeiten war er der gewichtigste politische Gegner Zwinglis in Zürich gewesen. 

  1. November. Erlass des Rats von Zürich: Der Besuch einer Täuferversammlung wird mit dem Tod bestraft. Entgegen der ausdrücklichen Weisung des Rates veröffentlicht der Vogt von Grüningen, Georg Berger, dieses Gesetz nicht. Als Entschuldigung gibt er an, auf diese Weise mehr Täufer fangen zu können. 
  2. Dezember. Der Vogt von Grüningen verhaftet Manz und Blaurock. 
  3. Dezember. Der Vogt von Grüningen überstellt Manz an die Zürcher Behörden. Der Rat organisiert einen letzten Prozess. Die Anklagepunkte sind die gleichen wie bei der letzten Taufdisputation anfangs November. Zusätzlich wird er angeklagt, seinen Schwur vom 7. Oktober 1525, nicht mehr zu taufen, gebrochen zu haben. Manz nimmt Punkt für Punkt Stellung.

Er gibt zu, eine Gemeinde ausserhalb der Volkskirche gegründet zu haben, weist jedoch die Anschuldigung zurück, die Mitglieder dieser Kirche seien ohne Sünde. Er steht zu seiner Überzeugung, dass kein Christ das Schwert tragen oder ein öffentliches Amt bekleiden sollte. Das Gegenteil könne nicht durch die Schrift bewiesen werden. Er weist die Anschuldigung zurück, allgemeine Gütergemeinschaft aller Christen gelehrt zu haben. Christentum und Privateigentum schliessen sich nicht aus. Die Christen sollen diejenigen, die Mangel leiden, an ihren Gütern Anteil geben. Er gibt zu, die Frau in Embrach getauft zu haben. Er habe keine Kenntnis vom Erlass vom 7. März gehabt, der die Taufe jeder weiteren erwachsenen Person unter Todesstrafe gestellt hat. Manz bestreitet nicht die Gültigkeit dieses Erlasses. Er weist die Anschuldigung, besondere Offenbarungen gehabt zu haben, zurück. Die Briefe des Paulus im Neuen Testament seien ihm ein oder zwei Mal «geöffnet» worden.

Blaurock wird ebenfalls angeklagt, aber nicht in denselben Punkten, vor allem nicht wegen Taufens, da von ihm keine solche Handlung bekannt ist.

  1. Januar 1527. Urteilsverkündigung im Prozess gegen die beiden Brüder: Felix Manz wird zum Tod durch Ertränken in der Limmat verurteilt. In der Urteilsbegründung heisst es: «Durchs Wasser hat er gesündigt, durchs Wasser soll er sterben.» Zwingli heisst die Hinrichtung gut. Georg Blaurock wird dazu verurteilt, unter Auspeitschung durch die ganze Stadt gejagt zu werden. Er wird für immer aus Zürich verbannt.

Am Nachmittag desselben Tages um 15:00 Uhr wird das Urteil vollstreckt. Manz wird zur Limmat geführt, begleitet von zwei Geistlichen, die ihn dazu drängen zu widerrufen, und von seiner Mutter sowie seinem Bruder, die ihn ermutigen, fest zu bleiben. Manz preist Gott auf dem Weg zur Hinrichtung und dankt Ihm, dass er für die Wahrheit sterben darf. Vor der Bevölkerung verteidigt er die Glaubenstaufe als schriftgemäss. Bevor er bei der «Schipfe» mit einem Knüppel zwischen Armen und Knie ins Wasser gestossen wird, singt er auf Lateinisch: «In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist.» Er ist der erste Täufer, der durch Protestanten hingerichtet wird.

Eine Stunde nach Manz’ Hinrichtung wird Blaurock mit nacktem Oberkörper zum Niederdorftor gepeitscht und dort entgegen seinem Willen zum Schwur genötigt, niemals mehr wiederzukehren. Er schüttelt den Staub von seinen Füssen und verlässt die Stadt. Bullinger schreibt in seiner Reformationsgeschichte: «Er war nit weniger fräch als Manz.»

Am 26. Juni 2004 veranstaltete die Reformierte Landeskirche des Kantons Zürich einen Tag der Begegnung und Versöhnung mit den Nachkommen der Täufer der Reformationszeit und hielt ausdrücklich fest: «Wir bekennen, dass die damalige Verfolgung nach unserer heutigen Überzeugung ein Verrat am Evangelium war und unsere reformierten Väter in diesem Punkt geirrt haben.» Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde an der Schipfe eine Gedenktafel in die Ufermauer der Limmat eingelassen, die an die Ermordung von Felix Manz und anderen Täufern im reformierten Zürich erinnert.

Bis zum April 1527 wird Blaurock aus drei weiteren Städten wegen seiner täuferischen Aktivitäten verjagt werden. Er verlässt die Schweiz und geht ins Tirol, wo ihn eine Täufergemeinde ersucht, ihr Leiter zu werden. Seine Predigten finden grossen Zulauf und die Täufergemeinden in der Region wachsen beständig. Am 14. August 1529 wird er von den Innsbrucker Behörden verhaftet und am 6. September in Klausen zusammen mit Hans Langenegger verbrannt. Er geht mit demselben unerschütterlichen Glauben wie Manz in den Tod.

Die Verfolgung der Täufer in Zürich und Zollikon ist kein tragischer Einzelfall. In ganz Europa werden allein während der folgenden sechzig Jahre Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende von Täufern wegen ihrer Überzeugung betreffend der Erwachsenentaufe hingerichtet, von protestantischen wie von katholischen Behörden. In Tirol beträgt die Zahl der bis 1531 Hingerichteten 1000, in Ensisheim im Elsass 2000. 

Die Täufer der damaligen Zeit unterscheiden unter sich drei Arten der Taufe: 1. Die Taufe im Heiligen Geist, die der Sünder dann erlebt, wenn er sich in Busse und Glauben an Jesus Christus als seinen persönlichen Erlöser wendet. 2. Die äusserliche Handlung der Glaubenstaufe, bei der der Bekehrte vor der sichtbaren Welt bezeugt, sich zu Jesus Christus bekehrt zu haben und das Versprechen abgibt, Ihm für den Rest seines Lebens nachzufolgen. 3. Die «Blutstaufe», bei der ein Täufer sein Glaubenszeugnis mit der Hingabe seines Lebens besiegelt. 

Am Zweiten Reichstag von Speyer unterzeichnet Kaiser Karl V. mit Billigung der evangelischen Stände (!) ein Edikt, wonach jeder, der als Säugling getauft worden ist, mit dem Tod bestraft wird, wenn er sich als Erwachsener taufen lässt. Die damit bestätigte, unerbittliche Verfolgungswelle hindert die Täuferbewegung nicht daran, sich wie ein Lauffeuer durch ganz Zentraleuropa auszubreiten – von der Lombardei bis zur Ostsee, vom Tirol durch das heutige Ostfrankreich bis Holland und Friesland entstehen ungezählte Täufergemeinden. Kirchenhistoriker Peter Uhlmann zitiert einen Grafen in der Pfalz, der ausruft, nachdem er 350 Täufer hat hinrichten lassen: «Was soll ich bloss tun? Je mehr ich töte, desto grösser wird ihre Zahl!»

Allein im protestantischen Bern werden zwischen 1529 und 1571 etwa vierzig Täufer hingerichtet. Im Kanton Zürich erinnert die Täuferhöhle in Bäretswil an die schweren Verfolgungen, die diese Christen vonseiten der Behörden erdulden mussten. Ende des 17. Jahrhunderts ist das Täufertum im Kanton Zürich vollständig ausgerottet. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts werden die Behörden die Verfolgung der Täufer endgültig aufgeben.

Der Autor, ein Schweizer, der sich eingehend mit dem Täufertum beschäftigt hat, ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym und im Hintergrund bleiben, damit das Licht Jesu Christi durch das Zeugnis der Täufer umso heller hervorstrahlt.

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