Wiedertäufer bzw. Täufer wehren sich nicht mit Gewalt, wenn jemand sie beraubt, obwohl sie das in ihrer Geschichte sehr viel gekostet hat. Als ich davon zum ersten Mal hörte, dachte ich: «So kannst du keine zwei Wochen überleben.» In der Zwischenzeit habe ich aber erfahren und selbst erlebt, dass gerade die Wiedertäufer in Amerika so nicht nur überleben, sondern sehr gut damit leben. Das ist besonders bemerkenswert, da die USA doch bekannt sind als ein Volk, das schnell andere verklagt und vor Gericht zieht.
Wo ist denn unser Schutz? Auf wen oder was vertrauen wir am meisten? Könnten wir ohne Schutz von Soldaten und Waffen bestehen?
Im Alten Testament war Israel oft von übermächtigen Armeen bedroht. Sie schrien dann zum Herrn. Was tat Er? Einmal schickte Er einen Engel, der in einer Nacht eine Armee von 185.000 Soldaten tötete (2.Kön 19,35). Ein anderes Mal brachten sich die Feinde durch das Eingreifen des Herrn gegenseitig selbst um (2.Chr 20). «Denn der Kampf ist nicht eure Sache, sondern Gottes» (2.Chr 20,15b). Die Israeliten mussten in diesen Fällen überhaupt nicht kämpfen. Glauben wir, dass Er das heute noch tut? Glauben wir, dass der Herr das für uns tun würde?
Heute leben die meisten «klassischen» Wiedertäufer in Amerika: im Süden von Kanada und im Norden der USA. Nach mehreren Jahrhunderten blutiger Verfolgung haben sie dort Ruhe gefunden. Ihre Zahl kenne ich nicht genau. Es sind aber mehrere Hunderttausend, die ihr wiedertäuferisches Glaubensgut auch in der heutigen Zeit behalten haben.
In Europa gibt es vor allem in Holland noch Mennoniten, einen der drei Zweige der Wiedertäufer, neben den Amischen und den Hutterern. Auch in der Schweiz existieren noch ein paar mennonitische Gemeinden. Viele von ihnen leben aber ihren angestammten Glauben nicht mehr so genau. In Deutschland gibt es seit ein paar Jahrzehnten wieder vermehrt wiedertäuferisch gesinnte Gemeinden. Das sind die sogenannten «Russland-Deutschen»:
In ihrer langen Verfolgungsgeschichte gelangten die täuferischen Mennoniten und Hutterer auch nach Russland, wo ihnen Katharina die Grosse für hundert Jahre Glaubensfreiheit versprochen hatte. Im 19. Jahrhundert war diese Zeit abgelaufen und der neue Zar gab ihnen zehn Jahre Zeit, um wie die Russen zu werden. So flohen praktisch alle Hutterer nach Amerika. Von den Mennoniten und anderen deutschstämmigen Siedlern blieb ein grosser Teil in Russland.
Dort litten sie als Deutschsprachige bald stark unter dem später aufgekommenen kommunistischen Regime – vor allem während der beiden Weltkriege. So zogen nach 1989 Hunderttausende nach Deutschland, wo viele von ihnen eigene Kirchen gründeten, um ihrem Glauben entsprechend weiter leben zu können.
Heute finden wir die Auswirkungen des täuferischen Denkens in folgenden Bereichen:
- Die seit längerer Zeit umgesetzte Trennung von Kirche und Staat findet ihren Ursprung im Gedankengut der Wiedertäufer. Sie praktizierten diese Trennung von Anfang an.
- Der Gedanke, «Freikirchen» zu gründen, kommt ebenfalls von ihnen. Am Haus der ersten Wiedertäufergemeinde aus dem 16. Jahrhundert in Zumikon hängt heute eine Plakette. Sie erinnert daran, dass hier die erste Freikirche der Schweiz, und damit das Freikirchentum, gegründet wurde.
- Die Glaubenstaufe im mündigen Alter. Viele der heutigen Freikirchen sind zu dieser biblischen Form zurückgekehrt.
Und wir? Ja, was halten wir vom Wiedertäuferdenken? Sind wir bereit, unsere Glaubensform gelegentlich zu hinterfragen? Viele Kirchen hielten und halten das nicht für notwendig. Dabei kann man in jeder Kirche mit der Zeit Veränderungen feststellen. Bei den meisten alten Kirchen sind es leider Veränderungen, die weg von den biblischen Glaubenslehren führen.
Lassen wir uns warnen? Sind wir bereit, uns von Gottes ganzem Wort prüfen zu lassen und uns gegebenenfalls neu auszurichten?