Das Böse besteht eben in der Abkehr von Gott

Wenn Gott den Teufel ursprünglich als gutes und herrliches Wesen geschaffen hatte, wie war dann sein Fall möglich? Stellungnahme eines Bibellehrers aus alter Zeit.

Wie konnte der Teufel böse werden?

Auf diese Frage genügt uns dieselbe Antwort, die wir bezüglich der Verderbtheit des Menschen gegeben haben (Mitternachtsruf 1.19, S. 30). Wie wurde der Mensch böse? Aus eigener freier Wahl. Wie wurde der Teufel böse? Aus demselben Grund. Auch er hatte die freie Selbstbestimmung. Es stand in seiner Macht, bei Gott zu bleiben oder dem Guten abtrünnig zu werden. Gabriel ist ein Engel und steht ohne Unterlass vor Gott. Der Satan war ein Engel, verlor aber seine Stellung ganz. Seine freie Wahl hielt Gabriel im Himmel; den Teufel stürzte seine Wahlfreiheit in die Hölle. Es hätte auch Gabriel abtrünnig werden können und Satan nicht abfallen müssen. Ersterer blieb durch seine unbegrenzte Liebe zu Gott; letzterer wurde durch seinen Abfall von Gott verdammungswürdig. Das Böse besteht eben in der Abkehr von Gott. Das Auge muss nur ein wenig gewendet werden, und wir sehen entweder die Sonne oder den Schatten unseres Körpers. Blickst du zur Sonne, wirst du sofort erleuchtet; wendest du dich aber zum Schatten, so liegt zwangsläufig Dunkelheit auf dir. Der Teufel ist böse, weil er sich bewusst und frei für die Bosheit entscheidet, nicht weil seine Natur dem Guten entgegengesetzt ist.

Der Teufel hätte sich doch mit den Menschen, die das Böse gewählt haben, verbünden können. Warum hasst er uns trotzdem so sehr?

Er ist ein Gefäss jeglicher Bosheit geworden, nahm auch die Krankheit des Neides in sich auf und missgönnte uns die Ehre. Er konnte unser ungetrübtes Leben im Paradies nicht ertragen. So hinterging er den Menschen durch List und Betrug. Zur Verführung bediente er sich derselben Begierde, die er hatte, nämlich Gott gleich zu sein. Er zeigte dem Menschen den Baum und versprach ihm vom Genuss der Frucht die Gottgleichheit. «An dem Tag», sprach er, «da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist» (1.Mo 3,5). Er wurde also nicht als unser Feind erschaffen, sondern ist aus Neid unser Feind geworden. Als er sich aus dem Kreis der Engel verstossen sah, fand er es unerträglich, dass der irdische Mensch durch sein Fortschreiten zur Würde der Engel erhöht würde.

Abtrünnig geworden, ist er jetzt ein Feind Gottes und ein Feind der Menschen, die nach Gottes Ebenbild erschaffen worden sind. Aus demselben Grund ist er ein Menschenhasser, aus dem er ein Gottesfeind ist. Er hasst uns als Eigentum des Herrn und hasst uns als Ebenbilder Gottes.

Er war ja ein hoher Engel. Woher kommen seine heutigen Namen «Teufel» oder «Satan»?

Satan heisst er, weil er dem Guten widerstrebt. Denn das bedeutet das hebräische Wort, wie wir aus den Büchern der Könige wissen, wo es heisst: «Der Herr erweckte Salomo einen Widersacher [satan], Hadad, den Edomiter, vom königlichen Geschlecht in Edom» (1.Kön 11,14). Teufel (Gr. diabolos, was Verleumder bedeutet) heisst er, weil er uns zur Sünde behilflich und zugleich unser Ankläger ist. Er freut sich über unseren Untergang und klagt uns wegen unserer Taten an. Von Natur aus ist er körperlos – nach dem Wort des Apostels: «Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel» (Eph 6,12). Seine Würde ist daher die eines Herrschers und der Sitz seiner Herrschaft ist in der Luft, wie derselbe Apostel sagt: «… nach dem Lauf dieser Welt, gemäss dem Fürsten, der in der Luft herrscht, dem Geist, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt» (Eph 2,2). Darum heisst er auch der Fürst der Welt, weil sich seine Herrschaft über die ganze Erde erstreckt (vgl. Joh 12,31; 14,30).

Wieso lässt Gott seine böse Herrschaft und seine Angriffe auf uns überhaupt zu?

Der weise und vorsichtige Lenker der menschlichen Schicksale bedient sich seiner Bosheit zur Erziehung unserer Seelen, gleichwie ein Arzt das Natterngift zur Bereitung heilsamer Arzneien gebraucht.

Was meinen Sie damit?

In derselben Weise wie ein Arzt auch dann wohltut, wenn er dem Körper Leiden und Schmerzen verursacht – denn er kämpft mit der Krankheit, nicht mit dem Kranken –, so ist auch Gott gut, wenn Er durch teilweise Züchtigung für das Heil der Menschen sorgt. Dem Arzt machst du doch keine Vorwürfe, wenn er an den Gliedern des Leibes schneidet und brennt, einige auch ganz amputiert. Vielmehr gibst du ihm sogar Geld dafür und nennst ihn deinen Retter, weil er die Krankheit auf einen kleinen Teil einschränkt, ehe sie den ganzen Körper infiziert.

Das heisst, Gott lässt den Teufel gewähren und erlaubt schlimme Dinge, um uns zu heilen? Das verstehe ich nicht. 

Gewisse Übel werden von Gott verhängt, um die wahren Übel nicht aufkommen zu lassen. körperliche Krankheiten und äusserliche Drangsale sind zur Eindämmung der Sünde erdacht worden. Gott beseitigt das Böse; aber das Böse selbst kommt nicht von Ihm – wie eben der Arzt die Krankheit behebt, nicht aber die Krankheit am Körper verschuldet.

Sie sagen also, Gott gebraucht die Bosheit des Teufels, um die Bosheit in unseren Herzen zu bekämpfen und unsere Seele von unserer Sünde zu heilen!

Da du nun dies von Gott weisst, kannst du aufhören, über die göttlichen Verfügungen zu murren. Du hast doch auch die verschiedenen Arten des Bösen an dir selbst kennengelernt und du weisst, dass das wirklich Böse allein die Sünde ist – «ihr Ende ist das Verderben» (Phil 3,19). Das, was sich schmerzlich anfühlt, erscheint wohl als Übel, aber es gibt zum Guten Kraft, wie die Trübsale, die verhängt werden, um von der Sünde abzuhalten. Ihre Früchte sind das ewige Heil der Seelen (Röm 5,3; 6,22; 2.Kor 4,17).

Hören wir also auf, den Weisen verbessern zu wollen! Hören wir auf, nach etwas Besserem zu suchen, als was Er verfügt. Sind uns auch die Gründe für seine einzelnen Anordnungen unbekannt, so soll doch wenigstens der eine Grundsatz bei uns feststehen, dass vom Guten nichts Böses kommt.

 

Gekürzter, sprachlich angepasster Auszug der Predigt «Gott ist nicht der Urheber des Bösen», von Basilius von Caesarea († 379). Bibliothek der Kirchenväter, unifr.ch/bkv; bereitgestellt von Dr. Gregor Emmenegger, Departement für Patristik und Kirchengeschichte.

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