Israel bekam Vergebung zugesprochen aufgrund von Gnade, aber auch aufgrund von damit verbundenen Bedingungen: «wie auch wir vergeben unseren Schuldnern». So führte der Herr das Vaterunser auch in diesem Sinne weiter, als Er im Anschluss daran sagte: «Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater euch auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen ihre Verfehlungen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben» (Mt 6,14-15). Die Vergebung stand sogar unter der Androhung, dass sie gegebenenfalls wieder rückgängig gemacht werden konnte (vgl. Mt 18,23ff.).
Wenn es über Israel hiess: «Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern», so heisst es über die Gemeinde nach Pfingsten (neues Heilszeitalter) genau umgekehrt: «Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer gegen den anderen zu klagen hat; gleichwie Christus euch vergeben hat, so auch ihr» (Kol 3,13). Allerdings ist es auch für uns wichtig, unseren Mitmenschen alle Zeit zu vergeben, und zwar aufgrund der unverdienten, grossen Liebe, die wir in der Vergebung durch Jesus Christus erfahren haben – aber sie steht nicht mehr unter einer Bedingung.
«Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen»: «Und das ganze Tal der Leichen und der Asche und alle Felder bis zum Bach Kidron, bis zur Ecke des Rosstores im Osten, wird dem Herrn heilig sein; es soll nicht ausgerottet und nicht zerstört werden in Ewigkeit» (Jer 31,40; vgl. Ps 145,11-13). Es geht um das Reich, die Kraft und Herrlichkeit Gottes, die sich in der Offenbarung entfaltet. Gerade im letzten Buch der Bibel sehen wir Sein Reich kommen, Seine Kraft wirken und Seine Herrlichkeit erscheinen (vgl. Offb 12,10; 19,1).
Auch wir beten als Gemeinde das «Maranatha» (1.Kor 16,22). Wir wollen Seine Erscheinung lieb haben und uns danach ausstrecken (2.Tim 4,8). Der Geist ist es, der uns dazu drängt. Auch wir wünschen uns die Herrschaft des kommenden Königreichs herbei, in der der Herr Jesus dieser Welt Seine Gerechtigkeit bringt. Doch unser Augenmerk ist zuerst auf die Entrückung der Gemeinde ausgerichtet. Der Apostel sagt diesbezüglich: «So tröstet euch nun mit diesen Worten untereinander» (1.Thess 4,18).
Die Jünger Jesu sollten zwar später auch das Fundament der Gemeinde bilden (Eph 2,20), doch in diesem Kontext müssen sie zunächst als das wahre Israel gesehen werden. Nachdem die Leiter des jüdischen Volkes die Sünde gegen den Heiligen Geist begangen (Mt 9,34) und beschlossen hatten, Ihn zu töten (Lk 6,11), berief der Herr Seine zwölf Jünger (Mt 10,1ff.; Lk 6,12ff.). Diese stellten nun prophetisch den gläubigen Überrest Israels dar. Darum sprach der Herr sie in der Endzeitrede auf dem Ölberg an, obwohl nach anderen Aussagen der Schrift die Gemeinde sich in dieser Zeit nicht mehr auf Erden befinden wird, wohl aber ein Überrest Israels (Mt 24,4.6.9.15.23.25.26.33.42.47).
Jesus hatte bis zu diesem Zeitpunkt das nahegekommene Reich Gottes verkündigt, womit die Königsherrschaft des Messias auf Erden gemeint ist (Mt 4,17.23). Das Vaterunser gehört zur Bergpredigt, die Jesus vor Seinen Jüngern hielt, und diese wiederum bildet die Grundlage der Regierung des Königreiches auf Erden (Mt 5,3ff; Lk 6,20). Bevor die Jünger später den weltweiten Evangeliums-Auftrag erhielten, bekamen sie zu jenem Zeitpunkt noch den Befehl, Israel das Reich zu verkündigen, wobei die dazugehörigen Wunder dieses bestätigen sollten (Mt 10,5-8).
Das Vaterunser ist ein vom Heiligen Geist inspiriertes Gebet und deshalb auch nützlich für die Gemeinde. Aber es wurde in einen gewissen jüdischen Rahmen gesetzt, den man berücksichtigen sollte. Die Jünger sollten lernen, das Reich Gottes herbei zu beten und es zu erwarten (Mt 6,9-10). Wir haben versucht, oben darzulegen, worum es dabei geht:
– Um das Judentum damals, repräsentiert in den zwölf Jüngern.
– Um das Reich als Königsherrschaft Gottes auf Erden, in dem Messias.
– Und um die prophetische Situation des Überrestes Israel in der Zeit der grossen Trübsal. Da das Reich damals noch nicht durchbrach, sondern die Gemeinde Jesu Einlass fand, wird nach deren Entrückung (Röm 11,25) das Evangelium des Reiches wieder verkündet und es wird mit der sichtbaren Wiederkunft Jesu endlich durchbrechen (Mt 24,14; Offb 11,15.17; 12,10; 14,6; 19,6). So finden wir in der Offenbarung dann auch wieder das Gebet «dein Reich komme» in etwas anderen Worten wieder (Offb 22,17.20).
In der Zeit der Trübsal, wenn ein Überrest Israels an den Messias gläubig wird und die Juden das Werk Seiner Hände in ihrer Mitte erkennen, dann werden sie Seinen Namen heiligen, danach leben und dementsprechend beten. «Denn wenn er, wenn seine Kinder das Werk meiner Hände in ihrer Mitte sehen, so werden sie meinen Namen heiligen; sie werden den Heiligen Jakobs heiligen und den Gott Israels fürchten» (Jes 29,23).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Vaterunser ist ein ursprünglich jüdisches Gebet, das jedoch sehr wohl geistlich auch uns gelten darf. Aber so können wir es gesamthaft und heilsgeschichtlich besser einordnen und uns daran erfreuen.