Israel im Kreuzfeuer von Gog und Magog Teil 1

Hesekiel 38 und 39 prophezeit den Einfall von Gog und Magog und Verbündeten in das Land Israel und Gottes Rettung auf diesen Angriff hin. Wer ist Gog und Magog und was hat diese Weissagung aus alter Zeit heute zu bedeuten?

Gog ist der Herrscher und Anführer der Koalition gegen Israel. Viele Bibellehrer nehmen automatisch an, dass Gog ein irdischer Fürst sein muss. Das ist sehr gut möglich. Trotzdem lässt sich die Interpretation nicht von der Hand weisen, wonach Gog ein dämonischer Fürst sein kann, der die in Hesekiel 38,1-6 genannten Länder zum Angriff gegen Israel verführt. In Bezug auf Fürsten spricht die Heilige Schrift oft von dämonischen Mächten, die hinter irdischen Machthabern stehen. Ein Beispiel dafür sehen wir in der Geschichte Daniels, als er betete und sich die Antwort verzögerte, weil ein Engel, der ihn aufsuchen sollte, vom Dämonenfürsten über Persien aufgehalten wurde (Dan 10,11-12). Auch der Apostel Paulus spricht von dämonischen Fürstentümern, die diese Welt beherrschen (Eph 2,1-3; 6,12). Natürlich kann es sein, dass Gog eine irdische Person ist, aber wir sollten hier keine voreiligen Schlüsse ziehen, vor allem, wenn es aktuelle Politiker betrifft.

Magog wird in 1. Mose 10,2 als einer der Söhne Japhets aufgelistet. Hesiod, ein griechischer Dichter aus dem 8. Jahrhundert v.Chr., Herodot, ein griechischer Geschichtsschreiber aus dem 5. Jahrhundert v.Chr., sowie der jüdische Historiker Josephus Flavius aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. sahen in Magog die Skythen – ein Reiter- und Nomadenvolk, das besonders wild und grausam war. Interessanterweise erwähnt der Apostel Paulus diese wilden Skythen in Bezug auf die Gemeinde; das Heil in Christus umfasst auch sie: «Wo nicht Grieche noch Jude ist, weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit, noch Barbar, Skythe, Knecht, Freier – sondern alles und in allen Christus» (Kol 3,11).

Rosch ist ein weiterer Begriff, der in der Auflistung der angreifenden Völker von Hesekiel 38 vorkommt: Gog ist der «Fürst von Rosch, Mesech und Tubal» (V. 3). Mehrere Übersetzer betrachten Rosch als ein Volk wie Mesech und Tubal. Allerdings liesse sich «Fürst von Rosch» auch als «der Oberste der Fürsten» oder «das Haupt der Fürsten» übersetzen, wie beispielsweise 1. Chronik 7,40 dieselben hebräischen Worte wiedergibt: «Häupter der Fürsten». Rosch heisst im Hebräischen nämlich tatsächlich «Haupt». In der Septuaginta, der altgriechischen Übersetzung des Alten Testaments, wird Rosch in Hesekiel 38 als Eigenname und Nation verstanden; deshalb ist diese Deutung heute so weit verbreitet. Der aramäische Text dagegen gibt «Fürst von Rosch» wieder als: «Haupt über die Häupter». Neuere Bibeln halten sich in der Regel auch an die Übersetzung des hebräischen Wortes rosch als «Haupt» und nicht an die Lesart der Septuaginta. Mit anderen Worten: Mit Rosch könnte wohl ein Volk gemeint sein, aber es ist wahrscheinlicher und naheliegender, dass Hesekiel einfach sagte: «Gog, der du der oberste Fürst bist von Meschech und Tubal» (Lutherbibel 2017).

Mesech und Tubal werden in 1. Mose 10,2 ebenso wie Magog als Söhne Japhets genannt. Gemäss Hesekiel sind Mesech und Tubal Völker, die Schrecken verbreitet haben im Land der Lebendigen (Hes 32,26) und die gemeinsam mit Jawan (Griechenland) Handel getrieben haben (Hes 27,13-14; Jawan wird in 1.Mo 10,2 auch als Sohn Japhets aufgeführt, ein «Rosch» findet keine Erwähnung). Mesech und Tubal waren wohl in der heutigen Türkei angesiedelt, in den Küstenregionen am Mittelmeer und am Schwarzen und Kaspischen Meer.

Die Perser, deren Heere sich Gog und Magog anschliessen, lebten in der Region, die heute zum Iran gehört. Die Iraner nennen sich selbst denn auch Perser und sprechen bis heute die persische Sprache.

Die Kuschiten, die als Nächstes genannt werden, kommen wohl aus dem Gebiet des heutigen Sudan und Put aus der Region Libyens.

Das Haus Togarma, das als letztes in der Auflistung der Angreifer erscheint, ist ein Volk «vom äussersten Norden» (Hes 38,6). Das sogenannte «Land des Nordens», das oft mit «den äussersten Enden der Erde» in Verbindung gebracht wird, erwähnen die Propheten mehrfach als eine Bedrohung Israels (Jer 6,22; 10,22; 16,15; 23,8; 31,8; 46,10; 50,9; Sach 2,10; 6,6.8). Aus Israels Perspektive kam der Feind stets aus dem Norden. Wann immer die Assyrer, Babylonier oder Perser angriffen, geschahen ihre Einfälle vom Norden her. Eigentlich liegen diese Länder östlich von Israel, aber der direkte Weg würde durch die Wüste führen – das wäre für angreifende Armeen unmöglich. Darum kamen die feindlichen Invasionen aus dem Norden. Und deshalb muss der Ausdruck «äusserster Norden» nach alttestamentlichem Verständnis nicht zwingend Russland bedeuten, wie einige Ausleger annehmen – es kann aber gut sein, weil nördlich der genannten Länder unter anderem das heutige Russland liegt. Jedenfalls zieht dieser Feind aus dem äussersten Norden weitere «viele Völker mit» sich (V. 6). Es handelt sich sozusagen um eine «Nordkoalition». Dies zeigt, dass die Schlacht von Gog und Magog nicht diejenige von Harmagedon sein kann, weil dort alle Völker der Erde vertreten sind. Hier geht es «nur» um viele Angreifer aus einer gewissen Region.

Hesekiel erwähnt die Länder und Völker der damaligen Zeit, die aus den Gebieten zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer und dem Mittelmeer stammen. Das umfasst heute Nationen wie die Türkei, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Tschetschenien, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgistan. Mit der Ausnahme der christlich-orthodoxen Länder Georgien und Armenien sind dies alles islamische Völker. Und wenn wir die Staaten östlich des Iran (die Perser) betrachten, treffen wir auf weitere bedeutsame islamische Länder wie Afghanistan und Pakistan.

Deshalb können wir wohl davon ausgehen, dass der Islam eine gewisse endzeitliche Rolle spielen wird. Es ist die muslimische Religion, die diese Länder heute zu Feinden des Staates Israel macht. Übrigens sah schon der deutsche Reformator Martin Luther im Erstarken des Islam ein Zeichen der Endzeit. Er stellte eine direkte Verbindung zwischen den Missständen im Christentum und dem Aufstieg der muslimischen Ottomanen («Türken») her. So sagte er, wer gegen die «Türken» erfolgreich kämpfen wolle, müsse deshalb zuerst «Gott die Rute [für die Christenheit] aus der Hand nehmen».

Eines müssen wir uns vor Augen halten: Der ganze Krieg, alles, was geschieht, ist allezeit von Gott gesteuert und gewollt. Auch wenn es sich oft so anfühlt, als halte der Satan die Fäden in der Hand, kann er nie etwas tun, was Gott nicht erlaubt. Genauso ist es mit diesem Krieg: «Siehe, ich komme über dich … ich will dich herumlenken … ich will dich und deine ganze Kriegsmacht herausführen» (Hes 38,3-4; vgl. 39,2). Es ist Gott, der handelt und alles in Seiner Hand hat.

Der lebendige Gott gebraucht gezielt diese Koalition aus dem Norden, um Seine Grösse zeigen. Er handelt durch diese Völker, obwohl sie selbst meinen, sie seien unabhängig und würden aus eigener Macht vorgehen. Es ist Gott, der diese Mächte bewusst benutzt und zur Schlacht führt, um sie letztendlich zu erniedrigen.

Die Feinde werden wie ein Unwetter kommen, wie eine finstere Wolke, die das Land Israel bedecken will (Hes 38,9). Wenn wir diese Bildsprache mit den letzten grossen Schlachten vergleichen und uns beispielsweise die Medienbilder des letzten Golfkriegs vergegenwärtigen, können wir gut verstehen, was es heisst, dass eine grosse Versammlung von Truppen wie ein Sturm über Israel kommen wird.

Es wird «zur letzten Zeit» geschehen (V. 8), das heisst, in den letzten Tagen der Endzeit. Hesekiel schildert, wie diese letzte Zeit aussehen wird.

Das Israel «zur letzten Zeit» wird ein Land sein, «das dem Schwert entkommen» ist (V. 8). Das passt zum heutigen Israel. Das Volk ist dem Schwert des Zweiten Weltkrieges entkommen. In gewisser Weise hat dieser schreckliche Krieg dazu beigetragen, dass der jüdische Staat überhaupt erst gegründet werden konnte. Die Auferstehung des Volkes im Land Israel erfolgte durchs Schwert, durch mehrere Kriege hindurch: den Unabhängigkeitskrieg, den Suez-Krieg, den Abnutzungskrieg, den Sechstage-Krieg, den Jom-Kippur-Krieg und die Libanon-Kriege.

Das Israel «zur letzten Zeit» wird eine Nation sein, die «aus vielen Völkern wieder gesammelt worden ist» (V. 8). Auch das trifft in einzigartiger Weise auf das moderne Israel zu. Die Juden sind tatsächlich von einem Ende der Erde zum anderen Ende der Erde nach Israel gekommen, wie es das Wort Gottes schon vorhergesagt hatte (5.Mo 28,64). Im buchstäblichen Sinne geschah die weltweite Zerstreuung des jüdischen Volkes erst im 20. Jahrhundert. Die beiden Weltkriege hatten dazu geführt, dass Juden wirklich bis ans Ende der Welt zogen (von Israel aus gesehen). Und so konnte sich Jeremia 31,8-10 erfüllen, wonach Gott in der Sammlung der Juden von den Enden der Erde zurück nach Israel ein Zeichen für die Nationen setzt.

Das Israel «zur letzten Zeit» wird ein Land sein, dessen Berge eine «ganze Zeit verödet waren» (V. 8). Genauso war das Land «Palästina», das heutige Israel, lange verödet – bis es von den Juden wieder aufgebaut wurde. Seit deren Zerstreuung 70 n.Chr. war das Land immer mehr vernachlässigt worden. Zwar führten die Nationen viele Kämpfe um die Region, vor allem um Jerusalem (vgl. Dan 9,26b; Lk 21,24), aber das Land selbst pflegten sie kaum. Der grösste Niedergang erfolgte unter der Fremdherrschaft der Ottomanen, als die Wälder abgeholzt wurden, viele Araber das Land verliessen und die Landwirtschaft zum Brachliegen kam. «Die Berge Israels» entwickelten sich buchstäblich zur Einöde.

Das Israel «zur letzten Zeit» wird ein Staat sein, in dem alle «ruhig und sicher wohnen» (Hes 38,8.11). – Kann dies etwa auf das heutige Israel zutreffen? Nach meinem Verständnis: Ja!

Nathanael Winkler absolvierte seine theologische Ausbildung in Deutschland. Er spricht fliessend Hebräisch. Sein Aufgabenschwerpunkt ist die breitgefächerte Israelarbeit des Missionswerkes und die grosse Jugend- und Kinderarbeit der Gemeinde Mitternachtsruf.
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