Alles gegeben für Gottes Wort

Vier Menschen, die zur Verbreitung der Bibel beigetragen haben.

1. Wulfila. In Istanbul wurde 383 n. Chr. ein für die alten Germanen ziemlich wichtiger Theologe begraben. Damals hiess die Stadt allerdings noch Konstantinopel. Wulfila, also «kleiner Wolf», hatten ihn seine Eltern bei der Geburt im Jahr 311 genannt. Sein in christlichem Umfeld aufgewachsener Vater war als Kind von kriegerischen Goten entführt worden. Dem kleinen Wulfila lag schon immer viel am Glauben. Bereits als Jugendlicher begann er öffentlich zu predigen.

Bei seiner Werbeaktion für den christlichen Glauben stiess Wulfila jedoch auf verschiedene Probleme. Zum einen fanden viele der gewaltliebenden Goten den eher friedlichen Glauben der Christen nicht sonderlich interessant. Ausserdem betrachteten sie diese neue Religion als Sache ihrer römischen Feinde. Aber Wulfila dachte gar nicht daran aufzugeben. In einer erstaunlichen Pionierleistung entwickelte er aus der Mischung von griechischen und lateinischen Buchstaben ein vollkommen neues, gotisches Alphabet.

Lange vor Luther übersetzte Wulfila dann als Erster die Bibel ins Urdeutsche. Auch noch nach 1600 Jahren kann man eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem alten Gotisch und dem heutigen Deutsch erkennen. Das Vaterunser beispielsweise begann in dieser Übersetzung mit folgenden Worten: «Atta unsar þu ïn himinam …» Wulfilas Bibel spielte dann auch eine ziemlich grosse Rolle bei der weiteren Mission unter anderen Germanenstämmen in den kommenden Jahrhunderten.

2. Eusebius Hieronymus. Auf Bildern ist Hieronymus fast immer mit einem Löwen zu sehen, der ziemlich entspannt zu seinen Füssen liegt. Während er im biblischen Bethlehem wohnte, soll Hieronymus dem Tier einen schmerzhaften Dorn aus der Tatze gezogen haben, weshalb sich der Löwe entschied, dauerhaft bei seinem Wohltäter zu bleiben.

Bekannt wurde Hieronymus aber nicht als Löwenbändiger, sondern als wirklich genialer Bibelübersetzer. Von ihm stammt die lateinische Vulgata, die im gesamten Mittelalter meistbenutzte Bibel Europas. Bis heute gilt sie in der katholischen Kirche als Standardübersetzung.

Finanziert von seinen wohlhabenden Eltern absolvierte Hieronymus (347–420) sein Studium in Rom, dem Zentrum der damaligen Welt. Nach einigen Erfahrungen als asketischer Mönch und verschiedenen politischen Intrigen zog er mit Freunden nach Betlehem. Dort übersetzte Hieronymus nicht nur die Bibel ins Lateinische, sondern verfasste ausserdem noch zwei wichtige Fachbücher, die den Bibelauslegern Europas über Jahrhunderte gute Dienste leisteten: ein Werk über die Geografie Israels und eine Abhandlung über biblische Eigennamen. Im Gegensatz zum damals ziemlich populären Origenes, der die Bibel sehr frei und spekulativ auslegte, warb Hieronymus für eine an historischen und sprachlichen Fakten ausgerichtete Exegese.

3. John Wyclif. Wenn man schon verbrannt werden soll, dann doch besser erst nach dem eigenen Tod. – Im Mittelalter gab es zum Teil drastische Strafen für abweichendes Verhalten und Denken. Das betraf auch den englischen Pfarrer John Wyclif (1330–1384).

Viele seiner Überzeugungen werden spätestens seit der Reformation als durchaus begründet betrachtet. Beispielsweise bestritt Wyclif, dass der Papst die höchste politische Macht der Welt besitzt. Er forderte, dass kirchliche Mitarbeiter nicht im Reichtum schwelgen sollten wie einige Bischöfe und Päpste seiner Zeit, sondern bescheiden zu leben hätten wie die Jünger Jesu. Auch vom Reliquienkult, dem Priesterzölibat und der katholischen Transsubstantiationslehre hielt Wyclif nicht viel.

Besonders aber verübelte ihm die damalige Kirche seine Übersetzung der Bibel in die englische Sprache (1383). Dadurch fiel es den Priestern ungleich schwerer, ihr theologisches Deutungsmonopol zu verteidigen. Plötzlich konnte jeder lesekundige Engländer selbst überprüfen, ob die Lehren der Kirche mit den Aussagen der Bibel übereinstimmten oder nicht. Entgegen den kirchlichen Vorgaben bildete Wyclif dann auch noch zahlreiche Laienprediger aus, die die Bibel landesweit verbreiteten. Nach seinem Tod wurde Wyclif auf dem Konzil von Konstanz als Kirchenfeind verurteilt. Daraufhin grub man seine Knochen aus und verbrannte sie als Strafe für seine bibelzentrierte Kirchenkritik (1415).

4. Martin Luther. Keinen verbindet man so stark mit der deutschen Bibelübersetzung wie den umtriebigen Reformator Martin Luther aus Wittenberg (1483–1546) – und das vollkommen zu Recht. Definitiv lieferte die Bibel das Fundament für Luthers ganzes Leben. Beim Lesen des Römerbriefes erkannte er die Gnade Gottes und fand zum Glauben an Jesus Christus. Die Bibel war auch das Grundbuch seiner langjährigen Arbeit als Professor der Theologie.

Nachdem Luther auf dem Reichstag in Worms praktisch zum Tode verurteilt worden war, plante er, wenigstens noch das Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen. Damit sollten sich möglichst viele Menschen in theologischen Fragen authentisch informieren können. Weil der Reformator dann doch noch länger lebte als erwartet, konnte er sich schliesslich sogar die ganze Bibel vornehmen. Keine deutsche Bibelübersetzung wurde seither so häufig gedruckt und gelesen wie die von Luther. Ganz nebenher erfand er mit seiner Bibelausgabe die hochdeutsche Sprache – eine wichtige Voraussetzung für Dichtung, Philosophie und Deutschland, wie es heute ist.

In Abgrenzung zur katholischen Kirche betonte der Reformator sein sola scriptura. Allein die Schrift (Bibel) sollte zukünftig als Massstab für den echten Glauben und die Inhalte der Kirche gelten, nicht die katholische Lehrtradition der Bischöfe und Päpste.

Michael Kotsch hat an der FETA Basel studiert und ist seit 1995 Lehrer an der Bibelschule Brake. Er ist Autor mehrerer Bücher und Vorsitzender des Bibelbund e.V.
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